Nach einer kontinuierlichen Zunahme von Online-Befragungen in der Marktforschungslandschaft der letzten Jahre schien der traditionelle, klassische Erhebungsweg per Telefon-Interview (CATI: Computer Assisted Telephone Interview) auf dem methodischen Abstellgleis.

Gründe dafür gibt es viele, am schwersten wiegt sicherlich der sich stetig verschärfende Preisdruck innerhalb der Branche. Erhebungen sollen nicht nur kostengünstig und schnell durchgeführt werden, häufig sehen sich Marktforscher auch mit der Ermittlung sehr spezieller, anspruchsvoller Zielgruppen konfrontiert. Sind diese grundsätzlich online erreichbar, fällt die Entscheidung schnell zu Gunsten einer Online-Befragung aus. Dennoch: Alle Herausforderungen kann das Online-Interview weiterhin nicht lösen und CATI bietet eine Vielzahl von Stärken.

Probandenmotivation vor und während des Interviews

Das CATI-Interview bringt einen signifikanten Mehrwert mit: Den Interviewer. Dieser fungiert nicht nur als sinnbildlicher Stift, der den Fragebogen anstelle des Probanden unbefangen ausfüllt und dabei die hohen, methodischen Ansprüche berücksichtigt. Die eigentliche Leistung geschieht vorab in der Kontaktaufnahme und während des Interviews: In dem engen Zeitfenster, das ab Gesprächsentgegennahme zur Verfügung steht, motiviert der Interviewer sein Gegenüber zur Teilnahme. Ein Gut, das mit zunehmender Fragebogendauer oder schwieriger Zielgruppe immer wertvoller wird. Auch wenn ein sozialkritisches Thema mit einer hohen Fragenanzahl erhoben werden soll, ist rhetorische Finesse und Überzeugungskraft gefragt, um auch den Sinn und Zweck jeweiliger Forschungsansätze unmittelbar und kurzfristig zu vermitteln. In dem Kontext darf man nicht übersehen, dass ein Großteil der CATI-Befragungen ohne eine Incentivierung der Teilnehmenden durchgeführt wird, der probandenseitige Nutzen also rein ideeller Natur ist. Auch während des Interviews kann der Interviewer den Probanden führen und ebenfalls weiter motivieren. Das reduziert Abbruchraten und erhöht die Aussagekraft der gewonnenen Ergebnisse.

Engmaschiges Monitoring und schnelle Reaktionszeiten

Der erfahrene Interviewer ist mit anspruchsvollen Gesprächssituationen vertraut und routiniert, er leitet den Probanden auch in schwierigen Situationen durch den Fragenkatalog. Über den Dialog zwischen Interviewer und Proband lassen sich mögliche Missing-Angaben in einem überschaubaren Prozentanteil halten, da der Interviewer– in einem entsprechend methodisch zulässigen Rahmen –auf Verständnisfragen des Probanden reagieren kann.

Feedback-Runden mit den Interviewern schaffen auf Auftraggeberseite Raum zur Reflektion und geben zusätzlichen Einblick in die Akzeptanz und mögliche Hindernisgründe bei der Teilnahme. Während der gesamten Feldarbeit findet so auf kurzen Wegen ein direkter Austausch zwischen Auftraggeber, Projektmanagement und Interviewer statt.

Supervision und permanente Datenkontrolle werden zur verlängerten Werkbank: Weil man als Auftraggeber eben nicht permanent vor Ort sein kann, gewährleisten besonders erfahrene Mitarbeiter die Einhaltung qualitativer Standards und überprüfen kontinuierlich die Ausschöpfungswerte. Der Interviewer erhält nach einem festen Schema Leistungsbeurteilungen und kann den Erfahrungshorizont so stetig erweitern. Individuelle Nachschulungen sorgen dafür, dass eventuelle probandenseitige Rückfragen mitten im Interview professionell und sorgsam beantwortet werden können.

Briefing und Feedbackrunden vor Ort selbst gestalten

Da die telefonische Marktforschung lange unter den Auswirkungen der Telefonwerbung gelitten hat, ist es umso wichtiger, das Interviewer-Team vor Feldstart mit entsprechendem Briefing und permanenten Qualitätsschulungen auszurüsten und auf die sensible Kontaktaufnahme vorzubereiten. Ein gut geschulter Interviewer ist so eben auch ein gleichzeitiger Garant gegen die eventuelle Hemmschwelle des Probanden, nicht teilzunehmen. Hier kann der Auftraggeber von Anfang an selbst mitgestalten und z.B. mit den Interviewern entsprechende Fragetypen gemeinsam erschließen oder branchenspezifisches Fachwissen vor Ort teilen. Darüber lassen sich nicht nur eventuelle Fragebogen- oder Verständnisfehler direkt glätten, ein fruchtbarer Austausch zwischen konzipierendem Auftraggeber und erhebendem Interviewer schärft außerdem die beiderseitige Wahrnehmung des konkreten Forschungszwecks. Vor-Ort-Termine in den Telefonstudios sind kurzfristig jederzeit vor und während der Erhebung möglich und bieten die charmante Zusatzoption, selbst während eines Live-Monitorings Studioluft zu schnuppern.

Qualitätsmaßnahmen und Standardisierung live im Pretest erleben

Der eigentliche Aha-Effekt stellt sich erfahrungsgemäß während eines Pretests ein. Unter Wahrung datenschutzrelevanter und standesrechtlicher Parameter und mit Zustimmung des Probanden kann der Auftraggeber den Fragenkatalog live in seiner Funktionalität testen und die reale Befragungssituation miterleben. So erhält er einerseits einen Einblick in die Interviewsituation und die Einhaltung methodischer Vorgaben, andererseits ist er in diesem Moment live dabei und nah am eigenen Kunden oder im jeweiligen Haushalt – ein echter Mehrwert für jeden Marktforscher und Marketingverantwortlichen. Muss der Bogen modifiziert werden, kann der Programmierer schnell und direkt anpassen.

Korrekturschleifen sind auf Wunsch sofort umsetzbar und können im Anschluss direkt live im Feld getestet werden. Besonders interessant und ergiebig beim Mithören vor Ort sind offene Fragestellungen, die einen ungefilterten und unmittelbaren Eindruck vermitteln, sei es nun ein positiver oder negativer. Hier lassen sich wertvolle Insights und Stimmungen schon bei Projektbeginn festhalten, ohne (teilweise Wochen) auf die eigentliche Auswertung und Interpretation der finalen Daten warten zu müssen und mit der Möglichkeit, diese noch in der laufenden Erhebung miteinzubeziehen. Interim-Datensätze und tägliche Status-Updates geben dem Auftraggeber zudem einen aktuellen Einblick in den Verlauf des Befragungsprojekts, wenn er nicht vor Ort sein kann.

Beschwerden minimieren und aus Ergebnissen lernen

Auch Probanden haben über offene Nennungen die Möglichkeit, neben einer klassischen, standardisierten Bewertung ihre persönliche, eigens formulierte Meinung zu platzieren und so vielleicht auch einfach einmal „Dampf abzulassen“. Dieser Umstand kann das Beschwerde-Aufkommen beim Endkunden verringern, weil der Befragte seinen möglichen Unmut bereits in einer kontrollierten Gesprächssituation mitgeteilt hat. Aus solchen Interviews lassen sich, die Einverständniserklärung des Befragten sowie eine datenschutzrechtliche Bereinigung vorausgesetzt, besonders interessante Mitschnitte produzieren, die im Anschluss beispielsweise für firmeninterne Weiterbildungszwecke oder Veranstaltungen genutzt werden können.

Kundenbindung und optimale Ausschöpfung

Verarbeitet man Daten im Auftrag, so z.B. bei Kundenzufriedenheitsbefragungen, erhält man nicht selten sogar ein explizit positives Feedback probandenseitig. Das CATI-Interview vermittelt Wertschätzung und symbolisiert ganz nebenbei auch Kundennähe: Der Privat- oder Geschäftskunde wird hier aktiv eingebunden, kann seine Meinung äußern und dadurch geplante Prozesse beeinflussen oder sogar mitgestalten. Das bisweilen anzutreffende Vorurteil, telefonische Interviews führten beim Gegenüber grundsätzlich zu Ablehnung, stimmt also nicht. Im Zuge des zunehmenden Automatisierungstrends bleibt der Fokus hier auf einer Interaktion zwischen realen Personen. Das Involvement wird demnach ganz anders als bei einem erlebnislosen SMS-Erhalt stimuliert. Viele Unternehmen besinnen sich mehr und mehr zurück auf den Vorteil direkter verbaler Kommunikation mit ihren Kunden und nutzen dies gezielt als Differenzierungsmerkmal. Muss man ferner auf überschaubare, kleine Bruttosamples zurückgreifen, garantiert CATI bestmögliche Ausschöpfungen und einen transparenten Überblick darüber, warum eben auch nicht teilgenommen wurde. Die späteren Ergebnisdaten lassen sich unter Berücksichtigung der trennscharfen Non-Response-Codes verschiedener Subgruppen auch wesentlich genauer interpretieren.

B2B-Zielgruppen und regionale Erreichbarkeit

Bei b2b-Befragungen ist und bleibt CATI das Mittel der Wahl; besonders dann, wenn man nur eine geringe Online-Affinität der Brutto-Stichprobe voraussetzen kann. Interview-Einladungen via E-Mail und entsprechendem Online-Link werden in dem Kontext oft ignoriert oder landen direkt im Spam-Ordner. Werden komplexere und branchenspezifische Inhalte abgefragt, kann der Interviewer im Kontaktgespräch bereits auf Rückfragen eingehen, Nutzen und Aufwand gegenüberstellen und den sensiblen Bereich Datenschutz vorab genau erläutern. Das kann auch den beschäftigten Geschäftsführer zur Teilnahme bewegen und bringt marktforschungsfernen Unternehmen Sinn und Zweck eben solcher Erhebungen näher. Da meist nur auf eine begrenzte Samplemenge zurückgegriffen und diese auch im Nachgang nicht beliebig erweitert werden kann, ist es umso wichtiger, die geringe Anzahl an Kontaktmöglichkeiten optimal und durch einen anregenden und professionellen Dialog zwischen Interviewer und Mitarbeiter auszuschöpfen.

Auch für regionale Marktforschungsansätze bietet die Methode CATI unter Berücksichtigung der eingetragenen und der mittels RLD-Verfahren generierten Rufnummern eine bessere Erreichbarkeit. Gerade auf kleinster Postleitzahl- oder auch Straßenebene lassen sich auf diesem Weg valide und aussagekräftige Fallzahlen realisieren. Damit kann Forschung auch attraktiv für kleinere, lokale Unternehmen werden.

Erreichbarkeit junger und mobiler Zielgruppen

Auch wenn junge Zielgruppen quasi permanent und damit mehr online sind als jede andere Altersgruppe, so ist ihre Erreichbarkeit und Teilnahmebereitschaft über Online-Panels schwächer ausgeprägt. Gleichzeitig sind sie mitunter sehr mobil und zuhause (via Festnetz) schwer zu erreichen. Zumindest im Rahmen bundesweiter Befragungen bietet CATI über den Dual Frame-Ansatz hierfür eine geeignete Lösung: Durch Anreicherung von klassischen Festnetzstichproben mit Mobilfunkanschlüssen, sowohl eingetragen als auch generiert, steigert man nicht nur die Erreichbarkeit jüngerer Probanden, auch dem generellen Anstieg der „mobile-only“ Anschlüsse, die man anderweitig nicht mehr kontaktieren könnte, wird so kostengünstig entgegengewirkt.

Fazit:

Obgleich des starken Wettbewerbs um Aufmerksamkeit punktet das CATI-Interview nach wie vor nicht nur durch die unmittelbare, persönliche Probanden-Ansprache, sondern auch durch weitere gewichtige Argumente:

5
Feedbackrunden und Briefing durch den Auftraggeber
5
Pretest und Monitoring als Live-Erlebnis
5
Teilnahme-Stimulanz durch den Interviewer
5
Optimale Ausschöpfung auch kleinerer Samples
5
Schnelle Reaktionszeiten bei Fragebogenmodifikationen während der Erhebung
5
Kundenbindung und Minimierung des Beschwerdeaufkommens
5
Mithör-Termine zu jeder Zeit
5
Umsetzbarkeit hoher Fallzahlen und längerer Fragebogendauern
5
Regionale Erhebungen mittels Zufallsstichproben auch auf kleinstem Gebiet
5
Kombination von Festnetz und Mobilfunk für bestmögliche Repräsentativität

Auch mit voranschreitender Digitalisierung lässt sich der erfahrene Motivator Interviewer so z.B. in der Kundezufriedenheit oder im Bereich b2b nicht wegdenken oder durch mutmaßlich günstigere Automatisierungsprozesse ersetzen.

Über die Autorin

Sofina Hell

Sofina Hell

CATI Unit-Leiter

E-Mail: hell@omniquest.de
Telefon: +49 (0) 228-38 200 215